"Rolf" - Karl Meier 1897-1974


THE LAST PICTURE AXEL RECEIVED FROM "ROLF"

TO THE RIGHT FREDDY HIS LONGTIME FRIEND

FREDY WHO TOOK CARE OF HIM THE LAST YEARS.

 

aK- magazine Schweiz:

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GESCHICHTE

Erste öffentliche Anerkennung für «Rolf»



Der Theatermann Karl Meier führte ein perfektes Doppelleben: In der Öffentlichkeit verheimlichte er seine schwulen Seiten und
wagte bloss unter seinem Pseudonym «Rolf» gegen die Diskriminierung der Homosexuellen zu kämpfen. Doch sein Kampf
bewirkte viel. Das anerkennt jetzt auch eine Kurzbiographie des Thurgauer Staatsarchivars, die rechtzeitig zu «Rolfs» 100.
Geburtstag am 16. März erschienen ist.

Nur Interessierte wussten bislang - der Basler Ausstellung «Männergeschichten» von 1988 sei dank - um «Rolfs» immenses
Verdienst um die schwule Sache. Die im Dezember erschienene Kurzbiografie (aK kann dank Unterstützung des Thurgauer
Lotteriefonds das Original dieser Ausgabe beiheften) wird nun einer breiteren Öffentlichkeit näherbringen, dass der 1897 geborene
Thurgauer als Herausgeber der homosexuellen Kulturzeitschrift «Der Kreis» (1942 - 1967) und als Leiter der hinter der Zeitschrift
stehenden Vereinigung Grosses geleistet und internationale Bedeutung erlangt hat, wie der Biograf, der Thurgauer Staatsarchivar
André Salathé schreibt.

 

aK 2/99 aK- magazine Schweiz:

Berliner Ausstellung über Schweizer
Pioniere


«Der Kreis» - so hiess in den 40er bis 60er Jahren die
grösste Homosexuellen-Organisation mit Sitz in Zürich und
internationaler Ausstrahlung. Und «Der Kreis» hiess auch
die Zeitschrift, die jahrelang dreisprachig erschien. Jetzt
widmet das Schwule Museum Berlin dem «Kreis» eine
umfassende Ausstellung.


Für die Berliner Ausstellung über den Kreis war der
Ausstellungsmacher Karl-Heinz Steinle mehrmals in der
Schweiz. Er schilderte aK, wie wichtig diese frühe
Schwulenorganisation ist.

aK: Wie kommt einer aus dem Schwulen Museum Berlin
dazu, sich um die Wurzeln der Schweizer Schwulenbewegung
zu kümmern?


Karl-Heinz Steinle: Es begann 1996 als wir in Berlin die
grosse Ausstellung «100 Jahre Schwulenbewegung»
vorbereiteten. Ich war dort für die 50er und 60er Jahre
zuständig und bei meinen Recherchen stiess ich immer
wieder auf den Kreis, der auch nach dem zweiten Weltkrieg
noch ständig in deutschen schwulen Publikationen vorkommt.
Unter viele Texten und Bildern findet man den Hinweis:
«Entnommen aus Der Kreis».

Die kleine Schweiz als Vorbild…

… nicht nur das. Die Schweizer waren auch engagierte
Kämpfer. Der Kreis hatte beispielsweise als erste Quelle
überhaupt auf eine 1950 stattfindende grosse
Verhaftungswelle in Frankfurt a.M. hingewiesen. Das Heft war
für viele deutschen Organisationen die
Hauptinformationsquelle.

Und wie bist du an die immer nur mit Decknamen
auftretenden Kreis-Aktivisten herangekommen?

Die ersten Namen fand ich im Telefonbuch. Die Reaktionen
waren anfänglich etwas verhalten, doch dann sehr positiv. Es
entwickelte sich ein riesiger Briefverkehr &endash; immer
mehr Leute haben sich gemeldet. Die jüngsten Kontakte kann
ich für die Ausstellung und das dazu entstehende Buch nicht
einmal mehr verwenden. Insgesamt stehe ich mit rund 30
ehemaligen Kreis-Leuten in Kontakt.

Und die einst anonymen Aktivisten treten nun in der
Ausstellung offen auf?


Nicht alle. Einige möchten nicht genannt sein, allein weil die
Ausstellung im «Schwulen Museum» stattfindet und sie das
Wort «schwul» ablehnen &endash; eine typische Haltung aus
den 50er Jahren. Doch insgesamt ist das Interesse an der
Aufarbeitung der Kreis-Geschichte riesengross.

Auch in Zürich?

Oh ja. Das Stadtarchiv zum Beispiel war sehr interessiert. Im
Konservatorium gaben die Leute bereitwillig über ihre
schwulen Freunde von damals Auskunft. Elsie Attenhofer
erzählte über ihren Partner im Kabaret «Cornichon», über
Rolf, bei dem ja alle Kreis-Fäden zusammenliefen. Er war der
«Übergott».

Du betreibst Oral-History. Du redest mit den Leuten und lässt
sie erzählen.


Diese Methode bedingt allerdings auch, dass man Quellen
sucht, die die geschilderten Vorfälle belegen. Das ist
glücklicherweise in der Schweiz viel leichter als in
Deutschland, wo wegen der restriktiven Gesetzgebung viel
schwules Material in den 50er Jahren vernichtet wurde.

Welche Bedeutung hat der Kreis im Rückblick?

Zum einen ist die Zeitschrift ein Fundus für «homoerotische
Kunst». Im Laufe der Jahre sind rund 1'500 Fotos,
Zeichnungen etc. gedruckt worden. Heute berühmte
amerikanische Fotografen starteten hier ihre Karriere. Zum
anderen war der Kreis die erste internationale Vernetzung
unter Schwulen, vergleichbar heute mit ILGA oder den
Gay-Games. Zwar blieben die Leute immer Inkognito, aber
nach dem Vorbild aus der Schweiz entstanden so berühmte
Organisationen wie das holländische COC.

Das COC ist noch heute aktiv - der Kreis gab auf. Weshalb?

Zum einen verlor Rolf, der den Verein sehr hierarchisch führte,
im Laufe der Jahre den Kontakt zur schwulen Jungendkultur.
Zum anderen wirkte das Heft mit den Jahren ziemlich
anachronistisch und schliesslich waren Treffen unter dem
Schutz der Anonymität einfach nicht mehr nötig.

Interview: René Hornung


 

 

ANDRÉ SALENTÉ: "ROLF" 1996 BOOKLET, 16 Seiten, (aK, Frauenfeld), KANTON THURGAU STAATSARCHIV

Auszüge:«Rolf» und sein "Kreis"

Karl Meier war homosexuell oder, wie er selber gesagt hätte: homophil ein Homoerot. Das wäre nicht erwähnenswert, hatte sich daraus nicht ein Lebenswerk ergeben, das es, wie nun skizziert werden soll, im Grunde erst rechtfertigt, sein Leben hier nachzuzeichnen.
Ob seine Adoptiveltern von der Veranlagung wussten, ist nicht bekannt. Meier selber litt nach eigenem Bekunden zunächst aus religiösen Motiven darunter. «Es hat Jahre gebraucht», sagte er 1963, «um mich zum vollständigen inneren Gleichgewicht durchzurinnen. Heute glaube ich, dass die homoerotische Veranlagung im Schöpferplan Gottes auch ihren Platz hat - nur kennen wir ihn noch nicht. Die Homosexuellen sollen unter ihrer Veranlagung nicht leiden und sich nicht zweitrangig fühlen, sondern aus dem ihnen zugewiesenen Schicksal ihre Lebensaufgabe erfüllen.» Und ein Jahr spater bekannte er Irri Rahmen einer Diskussion über die Entstehung von Homosexualitat, die sogenannte Verführungsthese widerlegend, er sei «als junger Schauspieler der standigen Strahlkraft der Frau ausgesetzt gewesen» - V.V. Iasst grüssen! , «nie h[omo]s[exuell] verführt worden und [...] denno~h h[omo]s[exuell]»


Man geht wohl kaum fehl in der Annahme, Meier habe sich spatestens in den lahren In Deutschland <entdeckt> - urnso mehr, als Berlin damals das Horrlosexuellerl-Eldorado Europas schlechthin war. Hier gab es eine vieltaltige horriosexuelle Subkultur: Clubs, Bars, Cabarets sowie eine ins Kraut schiessende Publizistik. Kaum verwunderlich, dass der talentrerte junge Mann frü~-ier oder spater damit iri Kontakt karn, und das hiess in seinem Fall: rnit Ad~lf Brand (1874-1945). Brand hatte noch vor der Jahrhundertwende die Leitschrift «Der Eiqene. Ein Blatt für mannliche Kultur» qegründet. Obgleich sie vor dem Hintergrund seiner spat~ren Herausg~bertatigkeit als unmittelbar einleuchtend erscheint, muss die In jüngeren Publikationen vorqebrachte Behauptung, Meier sei Ende der 1920er lahre «einer der engsten Mitarbeiter Brands» g~wesen, als falsch bezeichnet werden: <<lch ~-iabe in meiner Deutschlandzeit 1924-1932», schreibt er 1962, «llediglich] zwei kurze Essays geschrieben, die man eher als <Leserzurchriften> betrachten kann, mich deswegen aber niernals als Mitarb~iter von Adolf Brand nenn~n darf!» Falsch sei auch die Bchauptung, wonach er Brands Werk in der Schweiz «weitergeführt» habe c<das hatte ja nur In Deutschland sein können C...]. Ick habe 1942 das Werk einer lesbischen Frau weitergeführt und 1943 der Zeitschrift den Namen <DER KRtlS> geqeben - das ist alles.»


Sehen wir zu: In Zürich war am 12. August 1931 der lesbis~he Damenclub «Amicitia» gegründet worden, der zum 1. lanuar 1932 das erste Heft seines «Freundschafts-Banners» herausbrachte; im November ging das Blatt wieder ein. Nachdem in der Zwischenzeit der Schweiz~rische Freundschafts-V~rband homasexueller Frauen und Manner gegründet worden war, kam die Zeitschrift ab Mitte April 1933 als «Schweizerisches Freundschafts-Banner» wieder alle vierzehn Tage heraus. Als Herausgeberin fungierte Anna Vock; das Blatt war von nun an und bis 1939 im freien Handel erhaltlich. An einem Zürcher Kiosk kam ~s Ende April 1934, als es sich eben perfider Angriffe des c<Scheinwerfers» ru erwehren hatte, Karl Meier in die Finqer. Noch nicht ahnend, «welche Verpflichtunqen mir die nachsten lahre zuweisen würden», las er vorerst nur, «dass hier Kameraden und Kameradinnen gegen geschmacklose und verleumderische Skandalblatter clinen ziemlich aussichtslosen Kampf ausfochten I...]. Ich stellte mich sofort mit unsere Art sachlich richtiq beleuchtenden Artikeln neben sie, weil ich spürte, dass gerade ein Künstler da nicht aus bequemer und falscher Reserve sich heraushalten durfte.» Tatsachlich erschien am 15. Mai 1934 Meiers erster Artikel, ein flammender «Appell an alle! », den Kampf gegen Verleumdungen zu unterstützen: «[...] es geht um den Beweis, dass wir reine Hande haben, dass nicht ein raffinierter ~~xus das Bindende zwischen uns ist, sandern Eros, der ewig junge Gott, der Körper und Seele zu göttlicher Einheit fügen will.»

Meier nahm es schnell den Armel hinein, und zwar zünftig: Von nun an war er praktisch in jeder Nummer des Blatts mit eigenen Beitragen vertreten; auch gehörte er bald der Redaktion an, deren Kurs er zu bestimmen begann, ohne doch das letzte Wort zu haben. "Ge-outet" hat sich Meier nie. So erschienen auch alle seine Artikel unter Pseudonymen: «Rudolf Rheiner» (!), «Karl Pfenninger», «Gaston Dubois» u. a., spater dann vorwiegend «Rolf».
'1937-41 hiess das Blatt «Menschenrecht. Blätter zur Aufklärung gegen Aechtung und Vorurteil», ging es doch darum, dem neuen Schweizerischen Strafgesetzbuch, das die bisherigen kantonalen Strafrechte ablösen und die gleichgeschlechtliche Liebe unter Erwachsenen legalisieren sollte, in der Volksabstimmung von 1938 zum Durchbruch zu verhelfen. Das StGB kam durch und trat mit 1942 in Kraft. Nachdem die Schweiz mitten im Krieg das liberalste Sexualstrafrecht Europas erhielt, wurde der kampferische Ton des Blatts hinfällig. Nun ging es nach «Rolf» für die homosexuellen darum, nach der strafrechtlichen Besserstellung auch die gesellschaftliche Akzeptanz zu erringen, eine, wie er realistisch einschatzte, weit schwierigere Aufgabe, die viel Zeit und Kraft beanspruchen würde. Vom strategischen Ansatz her dem «Weg» anderer Minderheiten «ins Ghetto,, nicht unahnlich, setzte sich Meier von jetzt ab für die innere Starkung der Randgruppe ein. Dass der Weg gleichzeitig in eine vollstandige Anonymitat führte, lag schlicht daran, dass das Ausmass der homosexuellen Minderheit für den Aufbau einer sich selbst genugenden Subgesellschaft eben doch nicht ausreichte. Dennoch hat sich Meiers Konzept bei aller Widersprüchlichkeit letztlich bewahrt.


Weil die bisherige Herausgeberin des Blatts in finanzielle Bedrangnis geriet, nahmen ihr Meier und ein als « Kreis» bezeichn~ter « Lesezirkel » von « Kameraden» per 1942 die Last ab. S~gleich liess der neue Chef d~n Untertitel fallen; ab 194~ erschien die Zeitschrift in Übereinstimmung mit der Benennung des «Lesezirkels» zurückhaltend-nichtssagend als «Der Kreis - Le Cercle» zweisprachig, ab August 1954 als «Der Kreis - Le Cercle - The Circle» schliesslich gar dreisprachig. Wahrend sich die bisherige Zeitschrift an Homosexuelle beiderlei Geschlechts gewandt hatte, richtete sich die neue nur noch an die Manner. Für d~n deutschsprachigen Teil zeichnete fortan Meier verantwortlich, wahrend Charles Welti (Pseudonym), den französischsprachigen b~treut~; der englischsprachige Teil wurde ab 1954 von Rudolf Burkhardt (eigentlich Jung) redigiert. Die Hefte, die zunachst zwanrig, spater bis zu sechzig Seiten umfassten, waren ohne jeglichen Blickfang aufgemacht: den grauen Umschlag aus Halbkarton zierten lediglich das Club-Signet, die griechische Ampel mit der sich zum Kreis schliessenden Flamme, und der Name der Zeitschrift.


Spatestens ab Mitte der fünfziger lahre wurde die Zeitschrift um den ganzen Erdball verschickt. Gleichwohl erreichte die Auflage nie mehr als 2000 Exemplare. Das hatte zu tun mit zwei See(en in Meiers Herausgeberbrust: Nach der einen ging sein Ehrgeiz dahin, eine qeistig möqlichst hochstehende Kulturzeitschrift zu machen - da die eigenen Möglichkeiten bei allem Talent beschrankt blieben, Autoren von Rang für honorarlos~s Schaffen aber nur ausnahmsweise gewonnen werden konnten, schon an und für sich ein Ding der UnmögliLhkeit! Nach der andern sollten auch die Bedürfnisse der einfacheren Leserschaft befriedigt werden. So war das Resultat denn zwangslaufig weder Fisch noch Vogel: den einen zu hochstehend, den andern zu platt, den einen zu erotisch, den andern zu prüde - und was der gegensatzlichen Empfindungen mehr sein mochten. Immer wieder ins Schussfeld der Kritik gerieten insbesondere die seit 1943 publizierten Zeichnungen und Aktfotografien. Als im Zuge der Enttabuisierung der Sexualitat in den sechziger Jahren allenthalben freizügigere Herrenmagazine erschienen, ging es mit dem «Kreis» bergab: Die Abonnenten liefen scharenweise davon; Meiers rigide Herausgeberprinzipien hatt~n sich überlebt. Auf Ende 1967 musste die Zeitschrift ihr Erscheinen einstellen. Was im personell ein Vierteljahrhundert lang fast unverandert gebliebenen Zentrum des «Kreis» als vollstandiger Zusammenbruch, als Scheitern der sich einst selbst gestellten Lebensaufgabe erlebt und erlitten wurde, prasentiert sich aus zeitlicher Distanz viel eher als Einlauf ins Zi~l: Mit «Stonewall» formierte sich 1969 weltweit die moderne Schwulenbewegung, schafften die Homosexuellen endlich das kollektive ~oming-out, dessen Voraussetzung - die Starkung des Selbstvertrauens Meier mit seiner jahrzehntelangen unermüdlichen Arbeit in der Anonymitat qanz wesentlich mitgeschaffen hatte.

Für eine Inhaltsanalyse der Zeitschrift ist hier kein Raum, nur so viel: Im «Kreis,> erschienen Kurzgeschichten, Gedichte, Referate zum Stand der Diskussion über Homosexualitat in verschi~dE~nen VVissenschaftszweigen, RezE~nsionen, Fotografien und Zeichnungen. Die Februar-Nummer enthielt stets einen Fastnachtsteil, wahrend Im November «unserer Toten», d. h. berühmter Homophiler, gedacht wurde und im Dezember ein VVeihnachtsheft herauskam.
Meiers Engagement für die hom~sexuelle Minderheit erschöpfte sich nicht in der Herausqabe der Zeitschrift. So war er auch Leit~r der hinter der Zeitschrift stehenden Vereinigung homosexueller Manner und organisierte Clubabende mit Kleinkunstdarbietungen und Theateraufführungen gehobeneren Niveaus. Daru kamen Mask~nballe und Tanzveranstaltungen, aber auch Weihnachtsfeiern. Sodann unterhielt der «Kreis» eine Leihbibliothek, ein Buchantiquariat sowie einen Bilderdienst. Im Lauf der Jahre edierte Meier überdies vier Bande «Der Mann in der Photographie» und einen Band «Der Mann in der Leichnung». All das ware en détail noch zu erforschen. Ebenso Meiers Bedeutung als Anwalt von in Schwierigkeiten jeder Art geratenen Homosexuellen. Seine ideelle, aber auch materielle Hilfe muss immens gewesen sein. Da er von Arzten, Gerichtsinstanzen und Polizei gleichermassen geschatzt war, dürfte seine Fürsprache von Hilfesuchenden ebenso begehrt worden wie bei den Angesprochenen auf ein offenes Ohr gestossen s~in.

( ... )

Krankheit und Tod

Als der «Kreis» tnde 1967 eingestellt werden musste, sah sich Meier um sein Lebenswerk betrogen, und der sonst so Unverwüstliche verrnochte die bittere Enttauschung nur schlecht zu verbergen. Seinen Abschiedsartikel <(Das Ende vom Lied» schloss er mit der Bemerkung, jetzt bleibe für seine Mitarbeiter und ihn nur noch das starke Wort Auqust Strindbergs: «Durchstreichen - - und weitergehen!» Im Dezember 1970 erlitt er bei Pr~ben der Zürcher Marchenbühne irn Theater am Hechtplatz - kurz vor der Premiere des eiyens für ihn geschriebenen Stucks «Das Zirkus-Abenteuer» - eirien Schlaganfall: PIötzlich wusste er seinen Tcxt nicht rnehr; kurze Zeit spater stel Iten sich crste Lah rn u rigserschei n u ngen ein. Was folytc, war eir7 j~~ilr-eldil~es, dur-npfes DaC-iir-1darrirnerr-i. Von seinem leberispartner Alfred Brauch li - Krankenpfleger von Beruf als Privatpatient li~bevoll qepflegt, verstarb Meier am Abend des 29 Marr 1974 irn Ziircher Krankenheim Kaferberg. 5eirlern Wunsch gemas~ wurde er ar-ri 3. April 1974 dUf d~M Friedhof Sulqen zur letzten Ruhe bestattet.

Würdigung

KJrl Meier war ein seriöser, handwerklich vielseitig versierter, reitlebens von seinem Beruf faszinierter, aber kein "grosser" Schauspieler. Letzteres zu werden, daran hinderte ihn sowohl seine in allen Lebenslagen sich bewahrende kameradschaftliche Haltung, die jegliches Konkurrenzdenken völlig ausschloss, als auc~-1 sein jahrzehntelanges zeitraubendes Enyagernent für die Minderheit der Homosexuellen. Wer ein <grosser> Schauspieler werden möchte, braucht nebst Talent - tllbogen und Zeit. Als Angehoriger des leqendaren Cabaret Cornich~n gehörte Meier aber gleichwohl ru jenen Schweizer Schauspielern, deren Namen ihrer mutigen politischen Haltung wegen ru Recht auch ~-ieute noch immer wieder genannt werden. Die Schw~iz hat leuten wie i~-irn ausseror dentlich viel zu v~rdanken.
Bedeutender als der Schauspieler Meier wdr jcderlfall~ für die <Provinz> der Regisseur Meier Ohne Zweifel gehörte er zu den wichtigen Förderern eines eiqeristandigen schweizerischen Volkstheaters irri 20. Jat-lr~-lundert. Mögen seine diesberuglichen Leistungen aucti erst von künftiqer Forschung ~an~ ans Licht gebracht werden, schon jetzt steht seinc kulturelle Bedeutung für deri Kantori Thurgau fest: Wahrend IJhrrehnten war das yualitatsvolle thuryaui~c~-ie Vulkstheater rnit seinern Namen aufs engste verbunden. Dass sein unentwegtes und nur zu oft zu seinem eiqenen NachteiJ uneigennütziges Engagement 19~0 mit der Anvertrauung des kantonalen lubllaurrl~fe~t~piels honori~rt wurde, ~idt ihri denri auch tief gefreut.

Unbestritten von schweizerischer, ja internationaler Bedeutung war Karl Meier als «Rolf», als Herausgeber der homosexuellen Kulturzeitschrift «Der Kreis» (1942/43··-1967) und als Leiter der sich hinter dern Organ verbergenden Vereinigung homosexueller Männer. Als «Rolf» hat Meier "Grosses" geleistet: sowo~-il als Herausgeber und Redaktor sowie als Verfasser von Kurrgeschichten, Gedichten und Betrachtungen, als auch - und das alles ware noch minuziös zu erforschen - in seiner Rolle als Berater und Helfer seiner in Schwierigkeiten aller Art geratenen «homophilen Kameraden». Mögen seine schauspielerische Laufbahn und sein Wirken als Regisseur mit dem vorliegenden Aufsatz vielleicht genügend erhellt und gewürdiyt sein, seine tätigkeit als jahrzehntelanger Kopf der homosexuellen Minderheit in der Schweiz ist es nicht. Da bleibt noch vieles zu tun. 50 mag am Ende denn der Grabspruch auf dem schlichten Grabkreuz in Sulqen recht bekommen: "Einer der liebte, stirbt nicht aus der Zeit» (Otto Zarek).

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Bücher:

"Der Kreis" Mitglieder, Autoren, Künstler", von Karl-Heinz Steinle, Verlag Rosa Winkel 1999, 64 Seiten. Fr. 14,80

"Der Kreis - Le Cercle - The Circle" , von Hubert Kennedy, Verlag Rosa Winkel 1999, 350 Seiten. Fr. 31,00

ANDRÉ SALENTÉ: "ROLF" 1996 BOOKLET, 16 Seiten, (aK, Frauenfeld), KANTON THURGAU STAATSARCHIV

 

Ausstellung : ""Der Kreis" Mitglieder, Autoren, Künstler" 23.4.1999 bis 25.7.1999 im Schwulen Museum, Berlin

 

 

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